Geschäftsbericht
2020 - 2021
Welchen Beitrag kann verbesserte Fahrzeugsicherheit zur Erreichung des neuen #50by30-Ziels der Vereinten Nationen leisten?
DW: Einen großen Beitrag! Wir glauben, dass verbesserte Fahrzeugsicherheit dazu beitragen könnte, die Anzahl der Verkehrstoten weltweit um bis zu ein Drittel zu verringern. Daher streben wir die universelle Anwendung aller zentralen Fahrzeugsicherheitsnormen der Vereinten Nationen auf alle neuen und gebrauchten Fahrzeuge bis zum Ende des Jahrzehnts an. Dies stellt sicher, dass den Verbrauchern künftig weltweit die Verbesserungen zugutekommen, die sich bereits in Europa positiv ausgewirkt haben. Dies betrifft das Crashverhalten durch strikte Crashtests ebenso wie die Vermeidung von Unfällen durch lebensrettende Technologien wie die elektronische Stabilitätskontrolle, den Notfall-Bremsassistenten und intelligente Geschwindigkeitsassistenten.
Was können verbraucherorientierte Organisationen wie Neuwagen-Bewertungsprogramme hinsichtlich der Fahrzeugsicherheit erreichen?
DW: Neuwagen-Bewertungsprogramme fungieren als Katalysator, um den Einsatz der besten verfügbaren Technologien zu beschleunigen. Sie unterstützen die Entstehung eines Markts für Sicherheitslösungen, indem sie einerseits den Verbrauchern Informationen bereitstellen und andererseits den Herstellern Anreize bieten, sicherere Produkte zu entwickeln. Und sie bewirken in Verbindung mit den neu eingeführten staatlichen Vorschriften eine starke Nachfragesteigerung. Es handelt sich um einen hochwirksamen Ansatz mit beeindruckendem Ergebnis: So haben unsere NCAP-Partner für ihre neuen Modelle 5 Sterne bei der Sicherheitsbewertung auch in Schwellenmärkten erzielt, die häufig noch unzureichend reguliert sind. Dies beweist, dass Sicherheit ein gutes Verkaufsargument ist.
Welche Art von bahnbrechenden Änderungen können wir erwarten, wenn wir vernetzte und automatisierte Fahrzeuge fahren?
DW: Fortschrittliche intelligente Fahrassistenzsysteme bieten ein großes Potenzial, um künftig Unfälle vollständig zu verhindern. Weitere Fortschritte werden aus der Entwicklung von vernetzten und automatisierten Fahrzeugen resultieren. Aber wir müssen sicherstellen, dass alle Vorteile von „Big Data“ genutzt werden, um deren Sicherheitspotenzial völlig auszuschöpfen. Bei künftigen Neuwagen-Bewertungsprogrammen sollte es möglich sein, Fahrzeuge nach ihrem tatsächlichen Crashverhalten zu bewerten. Aber wir benötigen Zugriff auf die Daten. Dies ist auch unverzichtbar, um die Funktionalität von Onboard-Sicherheitssystemen zu garantieren. Wir stehen am Anfang einer Epoche mit Softwareaktualisierungen „over the air“, durch die sicherheitskritische Fahrzeugfunktionen modifiziert werden. Sowohl Verbraucher als auch Regulierungsbehörden müssen die Gewissheit haben, dass Sicherheitssysteme stets bestimmungsgemäß arbeiten.
Wie können wir sicherstellen, dass Fahrzeuge während ihres gesamten Lebenszyklus sicher bleiben?
DW: Derzeit dienen Typgenehmigung und Selbstzertifizierung als Zugangsvoraussetzung für den Markt, sodass nur zugelassene Fahrzeuge und Sicherheitssysteme zum Verkauf angeboten werden können. Aber künftig müssen wir gewährleisten, dass diese Sicherheitsfunktionen stets in vollem Umfang betriebsfähig und auf dem neuesten Stand sind. Hierfür sind unabhängige und unparteiische Prüfungen und Inspektionen erforderlich. Zudem müssen legitime Interessengruppen in die Lage versetzt werden, auf sicherheitsrelevante Daten zugreifen zu können. Dies ist mit der Herausforderung vergleichbar, vor der wir Ende der neunziger Jahre bei der Onboard-Diagnose für die Abgaskontrolle standen. Wir müssen sicherstellen, dass verantwortliche Dritte die Inspektions- und Wartungsleistungen für Verbraucher und Regulierungsbehörden erbringen können, von denen die Sicherheit abhängt.
Wie können wir den unabhängigen und diskriminierungsfreien Zugriff auf Fahrzeugdaten ermöglichen? Kennen Sie das „Trust Center“-Modell von DEKRA?
DW: Dies erfordert möglicherweise Regulierung, freiwillige Vereinbarungen durch alle zentralen Akteure oder eine Kombination aus beiden Ansätzen. Am wichtigsten ist jedoch die Erkenntnis, dass sicherheitsrelevante Daten nicht für kommerzielle Zwecke oder den Wettbewerb genutzt werden dürfen. Dabei handelt es sich um ein Thema von öffentlichem Interesse, das potenziell über Leben oder Tod entscheidet. Daher müssen wir eine Methode finden, um Daten, die Bestandteil der Sicherheitsinfrastruktur unserer intelligenten Mobilitätssysteme sind, unter Berücksichtigung des Datenschutzes mit Regulierungsbehörden und seriösen Organisationen zu teilen. Das „Trust Center“-Modell von DEKRA scheint ein sehr interessanter Ansatz zu sein, der in Betracht gezogen werden sollte. Ich glaube, dass Vertrauen der entscheidende Faktor ist, da letztlich das Vertrauen der Verbraucher die unabdingbare Voraussetzung für das Wachstum im Markt für vernetzte und automatisierte Fahrzeuge ist.